Foto-Vorträge: Dem Wolf auf der Spur

Auf der Bühne in Stapelfeld: Vor über 100 interessierten Zuhörern referierte Matthias Niehues im Rahmen der Fotoforum Impulse über Wolfsfotografie. Foto: Willi Rolfes

Das Thema Wolf ist immer spannend, unabhängig davon, aus welcher Perspektive man es betrachtet. Von verschiedener Seite bin ich jetzt gebeten worden, darüber zu referieren. Und so hieß jüngst ein Thema bei den Fotoforum Impulsen in der Katholischen Akademie Stapelfeld “dem Wolf auf der Spur - erstaunliche Begegnungen in Moor und Heidelandschaften”. Die spannende Frage dabei war natürlich, wie man als Naturfotograf Wölfen näher kommt und wie es überhaupt gelingt, einen vor die Linse zu bekommen. Darüber habe ich später auch noch einmal ein Webinar für Interessierte und Abonnenten des Fotoforums gegeben.

Vortrag über Wolfsfotografie bei World Press in Oldenburg 2026

Soviel darf ich schon vorweg verraten: Bei der World Press Ausstellung 2026 in Oldenburg werde ich auch zum Thema Wolfsfotografie einen Vortrag halten. Aber was macht diese Form der Wildtierfotografie beonders oder worin liegt die besondere Herausforderung? Vielleicht kurz das dazu: Von Beruf bin ich Journalist und Fotograf. Wenn ich recherchiere, gehe ich Themen auf den Grund. Und mit dieser Herangehensweise habe ich mich auch dem Thema Wolf genähert, als sich das erste Tier, die sogenannte Goldenstedter Wölfin im Jahr 2014 in meiner Heimat ansiedelte. Damals war das für die Bewohner der Region kaum vorstellbar - der Wolf galt bis dahin als eine Art Fabelwesen, das die Menschen nur aus Märchenbüchern kannten.

Ich wollte wissen, wie die Tiere wirklich sind. Und ich glaube, dass man sich mit diesem Anspruch und mit diesem Wissensdrang auch in Sachen Natur- und Wildtierfotografie Themen nähern sollte, insbesondere dann, wenn es sich um eine Spezies handelt, über die es mehr Vorurteile als tatsächliche Kenntnisse gibt. Wichtig ist auch, dass man sich mit diesem Thema unvoreingenommen auseinandersetzt, um alle Aspekte zu erfassen und in die Tiefe vorzudringen. Als Journalist habe ich in den elf Jahren alle Seiten beleuchtet. Das Problem: Berichte ich über Nutztierrisse, halten mich Wolfsfreunde für einen Wolfshasser. Berichte über die Biologie der Tiere und zeige dabei auch Welpenfotos, werde ich plötzlich zum Feindbild der Schafhalter und Wolfskritiker.

Zuerst kamen zwei Welpen auf die Lichtung, dann folgten drei weitere Geschwister - der Nachweis für das neue Dammer Rudel war gelungen. Foto: Matthias Niehues

Eigenes Denken und Haltung hinterfragen

Das Thema Wolf polarisiert noch immer. Und natürlich passt das perfekt in unsere Zeit, wo alles nur zu gerne schnell in eine schwarz/ weiß-Schublade gesteckt wird. Es muss doch möglich sein, von einer Spezies fasziniert und gleichzeitig auch bereit zu sein, die kritischen Punkte zu sehen und sich damit auseinanderzusetzen. Vielleicht ist an dieser Stelle der Wolf ganz nützlich, um unser eigenes Denken und unsere Haltung zu hinterfragen. Wichtig ist: Wer tatsächlich den Wunsch verspürt, Wölfe in freier Natur zu fotografieren, dem gelingt dies jedenfalls nur, wenn man sich mit den Tieren intensiv auseinandersetzt und sich diesen mit viel Geduld nähert, inhaltlich wie räumlich. Wissen muss man auch, Wölfe riechen 100 Mal besser als wir Menschen, ihre Beute wittern sie mit einem Abstand von bis 2 Kilometern.

Ebenso sensibel hören sie. Und sie reagieren auf jede Veränderung in der ihnen bekannten Landschaft. Eines weiß ich: Bevor ich einen Wolf sehe, hat er mich 20 Mal gesehen. Wer weiß, wo sich die Tiere aufhalten, sollte also genau auf die Windrichtung achten, damit der Eigengeruch nicht transportiert wird und äußerst leise unterwegs sein. Selbst das Klappern einer Spiegelreflexkamera nimmt ein Wolf auf 300 Metern Entfernung wahr. Deshalb: Unbedingt spiegellose und damit geräuschlose Kameras einsetzen. Und im Regelfall geht nichts unter 800mm Brennweite, denn die Abstände sind immer groß. Wichtig vor allem: Die Tarnung. Wenn ich sicher bin, dass ich Wölfen begegnen kann und darauf ansitze, bin ich voll getarnt, sehe aus, wie ein Busch. Dazu verwende ich eine Tarnanzug mit vielen Zotteln daran, der keine klaren Konturen erkennen lässt. Ich verschmelze so mit der Landschaft. Ich habe kein Stativ dabei, nichts, was klappert oder mich in der Bewegung einschränkt.

Frank Faß: Man muss die Autobahnen der Wölfe kennen

Meistens liege auf dem Bauch und warte, was kommt. Das Objektiv stabilisiere ich, indem ich einen Arm darunter lege. Weil meine Nikon Z9 Verwacklungsschutz bietet, sind bei schwachem Licht auch längere Verschlusszeiten möglich. Aber woher weiß man, wo sich Wölfe aufhalten und wie nähert man sich ihnen? “Man muss die Autobahnen der Wölfe kennen”, sagte mir schon früh Frank Faß. Der Leiter des Wolfcenters in Dörverden und langjähriger Vorsitzender des Arbeitskreises Wolf des Landes Niedersachsens, ermöglichte es mir, sogar in die Gehege seiner Wölfe zu gehen und das Verhalten der Tiere zu studieren. Gelernt habe ich, dass Wölfe, ganz wie wir Menschen, sehr individuelle Geschöpfe mit sehr unterschiedlichem Verhalten sind. Obwohl an den Menschen gewöhnt, versteckten sich bei meinem Besuch sofort zwei der fünf Wölfe und gingen mir völlig aus dem Weg.

Andere näherten sich auf einige Meter, wagten es aber nicht, stehen zu bleiben - liefen immer wieder mit großem Abstand vorbei. Genauso ist es in der Natur: Wölfe meiden uns Menschen, sehen uns als Gefahr. Und wie bekommt man sie dennoch vor die Kamera? Da sind wir wieder bei den Autobahnen. Man muss tatsächlich die Wege kennen, die Wölfe in ihrem oft über 250 Quadratkilometer großem Revier nehmen. Denn sie nutzen immer die gleichen, manche nur in eine Richtung. Und dann, wenn nach der Paarungszeit im Februar sich um den 1. Mai herum, der Nachwuchs ankündigt, wird der enge Aktionsradius um die möglichen Wurfhöhlen sehr reduziert. Und dieser Bereich wird auf den Wegen mit sogenannter Losung (Kot) frühzeitig markiert. Anderen Wölfen, also möglichen Reviereindringlingen, wird auf diese Weise deutlich gezeigt, dass sie mit dem Leben spielen, wenn sie hier eindringen sollten. Wer das, inklusive frischer Spuren der Tiere, sogenannte Trittsiegel, zu deuten weiß, ist den Wölfen schon mal sehr nahe.

Und wer gut getarnt, und auf die Windrichtung achtend, ansitzt, hat zumindest gute Karten, mal einen Wolf vor die Linse zu bekommen. Spannend wird es vor allem dann, wenn sich die ganze Wolfsfamilie allabendlich auf dem sogenannten Rendesvouzplatz trifft. Denn das Rudel besteht aus den beiden Elterntieren, den Welpen und sogenannten Jährlingen. Der Nachwuchs aus dem Vorjahr hilft bei der Aufzucht der neuen Welpen. Aber spätestens wenn diese mit rund 22 Monaten geschlechtsreif werden, müssen sie das Rudel verlassen und ihr eigenes Revier suchen. Die besten Chancen für Fotos ergeben sich, wenn die aktuellen Welpen rund zwei Monate alt sind und etwas aktiver werden. Dann kommen sie hier und da aus dem Busch gesprungen, spielen oder kuscheln miteinander und erkunden das nähere Umfeld im überschaubaren Radius. Wer das ein paar Tage aus sicherer Entfernung beobachtet, kann sich ausrechnen, an welcher Stelle es am wahrscheinlichsten ist, dass die Welpen herauskommen und munter werden.

Und dort sollte man sich bestens getarnt platzieren und auf den richtigen Moment hoffen. Mir ist das im Juli dieses Jahres erneut geglückt. Ich war in den Dammer Bergen (Niedersachsen) einem Rudel auf der Spur, von dem es rund zwei Jahre lang nur Gerüchte und Hinweise, aber keine klaren Nachweise über die Existenz gab. Dann fand ich Spuren und habe tatsächlich eines Abends aus großer Enternung zwei Welpen im Gebüsch entdecken können, viel zu weit weg für gute Fotoaufnahmen. Nach mehreren Tagen der Beobachtung konnte ich einschätzen, an welcher Stelle es am wahrscheinlichsten sein würde, dass die Welpen aus dem Dickicht herauskommen.

Der Beleg für das neue Dammer Rudel: Die Welpen ließen sich dank optimaler Tarnung und 800mm-Objektiv optimal und ungestört fotografieren. Foto: Matthias Niehues

Erst kamen zwei Welpen auf die Lichtung, dann drei weitere

Und tatsächlich: An einem Abend im Juli, kurz vor Sonnenuntergang, hatte ich hier Glück. Erst kamen zwei Welpen auf die Lichtung, dann drei weitere. Eine halbe Stunde lang konnte ich die Tiere aus nächster Nähe formatfüllend und vor allem völlig ungestört beobachten - mit sensationellen Ergebnissen. Ich habe die Tiere miteinander spielend uns sogar im Portrait fotografieren können. Von Vorteil ist hier, dass die Nikon Z9 flotte 20 Bilder pro Sekunde liefert. Dann, wenn die Welpen flink miteinander interagieren, ist das mehr als hilfreich. Hilfreich sind auch die möglichen hohen ISO-Zahlen und der Verwacklungsschutz der Nikon Z9. Denn bei untergehender Sonne und trotz dem hervorragenden Nikon Z6,3/800 mm-Objektiv kommt man bei hoher Empfindlichkeit und langen Verschlusszeiten schnell an die Grenzen. Eine ruhige Haltung der Kamera ist also wichtig. Entstanden sind einzigartige Aufnahmen, die in freier Wildbahn so selten gelingen. Und das Wolfsmonitoring des Landes Niedersachsen war sehr glücklich, mit diesen Bildern endlich die Existenz des Rudels Damme nachweisen zu können. Die Fotos sorgten jedenfalls auch für eine überregionales Echo. Die Redaktion der Bild am Sonntag war beispielsweise davon so begeistert, dass ein Motiv der Welpen sogar auf Doppelseite veröffentlicht wurde. Für die Wolfsfotografie benötigt man also viel Geduld. Aber wenn die Motive im Kasten sind, ist die Freude darüber umso größer.



Matthias Niehues

Fotograf Naturfotograf und Journalist Matthias Niehues aus Vechta

https://www.matthiasniehues.de
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Dammer Rudel: Großes Medienecho